7 Zugaben bei der Nacht der Musicals

Sopran, Tenor und Klavier: Musical-Night in der Holzgerlinger Burg Kalteneck mit Münchner Trio.

HOLZGERLINGEN. Seit rund 20 Jahren organisiert der Holzgerlinger Arbeitskreis Kunst und Kultur die Veranstaltungen in der Burg Kalteneck. Trotz dieser beachtlichen Historie, man hat noch Luft für die eine oder andere Premiere. Erstmals war der Arbeitskreis nun Gastgeber für eine Musical-Night. Das Publikum scheint optimistisch, dass Musical auch hier funktionieren kann. Am Ende ist diese Musical-Premiere praktisch ausverkauft.

Publikum schunkelt und singt mit

Die Sache funktioniert sogar ziemlich ausgezeichnet. Zumindest erlebt man hier am Ende ein durch alle Sitzreihen heftig schunkelndes und mit-singendes Publikum. Gerade so, als ob da noch Faschings- nachholbedarf herrschte.

Wie auch immer, das Münchner Trio mit Sopranistin Leona Kellerbauer und ihrem Mann, dem Tenor Stefan Kellerbauer, und Florian Markel am Klavier schafft es an diesem Abend nur mit Zeitverzögerung zurück nach Bayern. Erst nach sieben Zugaben lässt das Burgpublikum die drei ziehen.

Soli und Duette

Davor liegen in Soli und Duetten dargebrachte Auszüge aus den berühmtesten Musicals inklusive West-Side-Story, Evita, My Fair Lady, Cabaret und Anatevka bis hin zu Phantom der Oper. Pianist Florian Markel langt dabei zum Start mit einer Nummer aus „Annie get your gun“ zwar rustikal in die Tasten. Aber im Konzertverlauf zeigt er, dass er auch ganz anders kann. Er zieht immer wieder auch sehr sensible Saiten auf, kreiert gerade im Zusammenspiel mit der Sopranistin intime Momente wie zur Evita-Hymne „Don’t cry for me, Argentina“ oder steuert lang ausgreifende Steigerungen wie bei „May be this time“ aus Cabaret, das fast zerbrechlich anhebt und auch dank der Vokalistin final enorme Intensität entfaltet. Im Übrigen wird hier äußerst beweglich mit vielen, teils extremen Tempo-schattierungen musiziert. Keine Frage, wer es schafft, wie in der Burg Kalteneck ein Publikum in Rage zu versetzen, der hat Bühnenkompetenz. Jedenfalls macht das Stimmen-Paar aus den begrenzten Bühnenmöglichkeiten eine ganze Menge. Große US-Kulisse beschwört eine im Hintergrund gehängte Foto-Leinwand mit der nächtlichen Skyline von Miami, Tischchen mit Kerzenständern und Kästchen im Vordergrund erweisen später ihre Funktions- tüchtigkeit: Leona Kellerbauer holt endlos Kettenschmuck aus der Mini-Truhe zu Bernsteins „Glitter and be gay“ aus Candide, um sich in eine Art ekstatisch-orgiastischen Klunkerrausch hinein zu singen. Nicht nur hier, sondern eigentlich fortlaufend beweist sie bei hübschem Volumen Artistik im behänden Wechsel zwischen Sprech-, Musical- und Operngesang, auch wenn ihr Vibrato dabei statisch bleibt. Mehr als Höhenklettereien aber lassen ihre Decres- cendi und ganz subtile, doch immer noch tragende Partien aufhorchen.

Nette Einlage zu „Hello Dolly“

An die Überzeugungskraft der Stimme seiner Frau reicht der Tenor in manchen Momenten nicht ganz hin, dafür wirkt er ausgewogen in den verschiedenen Lagen und Vokal- techniken. Neben netter Einlage mit gedämpfter Trompete zu „Hello Dolly“ gibt er seine beste Solovorstellung mit einem ulkigen „Wenn ich einmal reich wär“ aus Anatevka.

Mit einem ganzen, dramatisch mitreißenden und anrührenden Block aus Phantom der Oper legen die Münchner den Grundstein für die Begeisterung, die ihnen dann die schier unersättlichen Zugabe- forderungen einbrockt.

Ein großer Auftritt auf kleiner Bühne zur ersten Musical-Nacht in der Holzgerlinger Burg Kalteneck. Bild: Heiden

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