Gereiftes als Ragout

„Die verkaufte Braut“ in Oberstdorf

Gut besucht war das musikalische Verwirrspiel um eine verkaufte Braut aus dem böhmischen Dorfmilieu in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Natürlich nicht die ganze Oper von Smetana wurde auf dem Podium des kleinen Oberstdorfer Kursaals geboten, sondern ein beherzt serviertes Ragout aus Klaviermusik, Arien und Duetten, gebunden von bedächtig-humorigen Erklärungen eines Erzählers. Ganz kurzfristig war für den erkrankten Philipp Sonntag, der vielleicht etwas mehr Pfeffer ins Menü gestreut hätte, der Bauerntheater-Spezialist Fritz Kellerbauer eingesprungen. Er verstand es, das vorwiegend gereifte Publikum anzusprechen: Schauen wir doch mal, was die Marie so treibt meine Herren, schauen Sie nicht so lüstern, nicht was Sie meinen, treibt sie. Diese Marie allerdings war die treibende Kraft der Truppe: aus Tschechien stammend, bildhübsch, vital, begabt mit glockenheller Sopranstimme. Als verkaufte Braut jeder kennt die simpel gestrickte, bühnenwirksame Komödienhandlung agierte Leona Kellerbauer feurig und überzeugend. Auch ihre Fantasiepolka quer durch die Reihen des Publikums, schwungvoll, aber etwas vorzeitig den Hochzeitsreis ausstreuend, wurde begeistert beklatscht. Im richtigen Leben ihr Mann, Stefan Kellerbauer, war auf der Kurzopern-Bühne derjenige, der die ganze Verwirrung der Handlungsfäden anzettelt: Hans, der vor langer Zeit ausgeflogene, unerkannt zurückgekehrte Sohn des reichen Bauern Micha.

Als Heldentenor hat er gleich zwei Rollen übernommen, nämlich auch die weniger schmeichelhafte des dümmlich stotternden zweiten Micha-Sohnes Wenzel. Gleichviel; mutig kapitulierte Kellerbauer nicht vor hohen Stimmlagen, in den mittleren trug seine Stimme angenehm weich. Ein weiteres Ehepaar im richtigen Leben machte die ganze Unternehmung wirklich zu einem multikulturellen Ereignis: Rume Urano ist Japanerin und begleitete als studierte Pianistin sehr gewandt am Flügel, machte den Klavierauszug stellenweise zum Orchesterersatz. Und Minari Urano hat in Tokio Sologesang studiert, übersiedelte schon in den achtziger Jahren nach Deutschland. Sein Profi-Bass ist ein echter Gewinn für die Truppe, auch wenn seine Rolle, der geprellte Heiratsvermittler Kecal, nicht im Zentrum steht. Patriarchalischer Vater Das Bühnenbild, ein breit ausgemalter Prospekt des Böhmerdörfchens hinterm Wald, stimmte die Zuschauer gemütvoll naturbezogen auf die nicht mehr ganz taufrische Handlung ein. Immerhin spielt sie in einer Zeit und bezieht daraus ihren Spannungs-Knackpunkt in der Väter noch ihre Töchter patriarchalisch an den Sohn einer befreundeten (reichen) Familie verheiraten konnten. Einen Schuss Originalität erhielt die Inszenierung durch die eingestreuten Arien oder Duette in tschechischer Sprache. Im Ganzen also ein unterhaltsamer Abend, wie es auch der Erzähler gegen Schluss, kurz vor Auflösung des Knotens, umschrieb: Nun warten wir alle gespannt auf die Lösung dieses Verwirrspiels. Es wäre doch gelacht, wenn das nicht gelingen würde: Die Musik ist wunderschön, die Künstler sind in Topform, und Sie sind ein wundervolles Publikum. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Von Dr. Rainer Schmid

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