Die Arena von Verona, lauer Sommerabend, romantischer Sonnenuntergang und zwei leidenschaftliche Sänger – zumindest gedanklich waren die Besucher im inklu-sive der Stehplätze voll besetzten Bürgerspital in südlichen Gefilden, als Leona und Stefan Kellerbauer am Sonntagabend beim Eröffnungskonzert des Künstlersommers zu einer musikalischen Reise von Neapel bis Granada einluden. Nur wenige Requisiten – Büh-nenbild, Rosen, ein Vogel im Kä-fig und ein Tisch mit zwei Stühlen – brauchten Stefan und Leona Kellerbauer, um das Bürgerspital, in einen südländischen Konzert-saal zu verwandeln. Arien, Duette und italienische und spanische Lieder brachten die Absolventen des Richard-Strauß-Konservato-riums zu Gehör. Begleitet wurden sie von der Japanerin Rume Ura-no, die durch Technik, Leichtig-keit und Einfühlungsvermögen am Klavier brillierte. Schon beim ersten Stück, dem Duett „ Esulti pur la barbara“ von Donizetti, war mancher Zuhörer von der Aus-druckskraft und Präzision über-rascht, die von den zugleich kon-trastierenden und harmonisierenden Stimmen ausging. Der Abend war geprägt von Lie-besliedern, die mit Hingabe und Leidenschaft interpretiert wurden. Schauspielhafte Dialogführung, Mimik und Gestik entlockten dem Publikum das eine oder andere Schmunzeln. Mit „E la solita storia“ aus L’Arlesiana von Cilea, die ernste Arie, die der Tenor Stefan Kellerbauermit Schwere und Wehmütigkeit in der Stimme vortrug, erntete er tosenden Applaus. Als kraft- und temperamentvoll, aber gleichzeitig sanft und zart erwies sich Leonas Stimme. Großer Tonumfang und schwere Singbarkeit der Arie „Quel guardo il cavaliere“ bewältigte sie mit einer Leichtigkeit, die Bewunderung auslöste. Mit der Musik Debussys, die oft als Musik am Rande der Stille bezeichnet wird, gelang es Rume Urano meisterhaft, die Zuhörer in eine Traumwelt zu versetzen. Nach der Pause ging es in spani-sche Gefilde. Mit Stücken wie „Andalucia“ von Lecuona oder Serano ́s „Te Quiero Morena“ erzeugten die Künstler in feurig-ro-ten Kostümen und Tanzeinlagen temperamentvolle Stimmung. Mit der Koloraturarie „Me llaman la Primorosa“ aus dem „Barbier von Sevilla“ führte Leona zum Höhe-punkt des Abends: Schwierigste Koloraturpassagen – auch in enormen Tonhöhen – meisterte sie bravourös. Ihr Gatte konnte mit „Granada“ von Lara mit Stimmgewalt und Temperament an diese Leistung anschließen.
Als das Publikum lautstark Zu-gaben forderte, musste es selber singen: Mit den beiden Künstlern als Dirigenten und den Zuschauern als Chor wurden die Rollen beim von Stefan Kellerbauer selbst komponierten Lied „Sangria“vertauscht. Am Ende mussten nicht nur Bürgermeister Erich Schmid, der die Sänger mit Blumen beschenkte, sondern auch die begeisterten Zuhörer feststellen: Das Bürgerspital ist für solche Anlässe zu klein.
Fotos: Emmerding